Der persönliche Kundenkontakt im Bankgeschäft ist aufgrund medialer Vertriebsformen im Rahmen von Multikanalansätzen oder im Direktvertrieb unwillkürlich in den Hintergrund getreten. Folge ist eine latente Unzufriedenheit der Kunden und eine damit verbundene Abwanderungstendenz. Um Umsätze zu erhalten und ständige Qualitätsverbesserung zu sichern, wird der Kundenzufriedenheit nun auch im Mengengeschäft ein höherer Stellenwert eingeräumt.

Leider werden die in geäußerten Unzufriedenheit steckenden Potenzials einer dauerhaften Qualitätssicherung und -verbesserung meist verkannt und negative Äußerungen als lästiges Aufbegehren nörgelnder Kunden verstanden. Dabei zeigt die Erfahrung, dass aus Menschen, die sich über Produkte oder Dienstleistungen beschweren, mit aktivem Beschwerdemanagement zufriedengestellte Kunden werden, die künftig als positive Multiplikatoren fungieren.

Denn eines ist klar: Wo Produkte und Dienstleistungen angeboten werden, treten Fehler auf. Deshalb muss sich jedes Geldinstitut intensiv darum kümmern, dass Kundenanliegen zeitnah bearbeitet werden. Die dabei als Nebenprodukt anfallenden Daten lassen sich zur weiteren Umsatz- und Ertragssicherung verwenden. Jeder Kundenimpuls – ob Beschwerde, Lob oder Verbesserungsvorschlag – ist ein erheblicher und auch noch kostenlos gelieferter Mehrwert für das Unternehmen.

Informationsvorsprung durch Datenaggregation

Entlang der gesamten Wertschöpfungskette werden Kundendaten generiert. Diese segmentierten Informationen wie Produktwahl und -nutzung, Beschwerden oder Teilnahme an Marketingaktionen haben als identifizierendes Merkmal den Kunden, werden aber häufig in verschiedenen IT-Systemen vorgehalten. Jedes Unternehmen möchte aber dem Ziel eines 360-Grad-Blickes auf den Kunden über Datenaggregation möglichst nahekommen. Im Mittelpunkt steht deshalb die Kundendatenbank. Darin werden die während der Beschwerdeannahme und Bearbeitung anfallenden Daten (Sachverhalt, Beschwerdegrund etc.) mit den Kundendaten (Name, Adressen, Kommunikationskanäle etc.), dem Transaktionsverhalten und Marketinginformationen aggregiert.
Das Zusammenführen wichtiger Informationen aus verschiedenen Quellen ermöglicht einen Rundum-Blick auf jeden einzelnen Kunden und bietet so einen enormen Informationsgewinn.

Alle relevanten Kundendaten stehen damit der Kundenberatung, Vermögensberatung, dem Vertrieb bis zum Vorstandsstab zur Verfügung und können direkt im Rahmen der täglichen Arbeit genutzt werden. So werden die Mitarbeiter in der Beschwerdebearbeitung unterstützt, um wichtige Kunden hofieren zu können und weniger ertragsstarke sofort zu identifizieren.

Der Abgleich des Beschwerdeverhaltens mit dem persönlichen Transaktionsverhalten der Beschwerdeführer dient der Effizienzmessung und bereitet den Weg, um das Beschwerdemanagement als Profitcenter zu betreiben. Generiert ein Kunde z.B. nach erfolgreicher Beschwerdebearbeitung mehr Umsatz als vor der Beschwerde, kann der Kundenbindungseffekt einer Steigerung des Kundenwertes zugeordnet werden. Dies lässt sich mit Hilfe des an den ROI angelehnten Return on Complaint Management (ROC) über Teilung des Gewinns durch das Beschwerdemanagement und den Investitionen ins Beschwerdemanagement berechnen. Während sich die Investitionen in Personaleinsatz, Softwareunterstützung, Wiedergutmachungsleistungen etc. leicht bestimmen lassen, sind die Gewinne des Beschwerdemanagements ungleich schwerer abzuschätzen. Der anzutreffende Effekt, dass beschwerdezufriedengestellte Kunden positiv von diesem Vorgang berichten und somit kostenlos für das Unternehmen Marketing betreiben, ist darüber hinaus nicht zu unterschätzen.

Ferner ist es in kritischen Zeiten überaus wichtig, das vorhandene Marketingbudget besonders effizient zu nutzen. Marketingaktionen sollten nicht nach Gefühl und Budget durchgeführt, sondern nur zielgerichtet nach Identifikation von anzusprechenden Zielgruppen. Streuverluste können so minimiert und die Ausnutzung des Marketingbudgets maximiert werden. Die Kundendaten werden bei jeder Mailingaktion um diese Informationen ergänzt, so dass eine vollständige kundenspezifische Marketinghistorie aufgebaut wird. Aufgrund dieser Informationen sind aussagekräftige Kriterien erkennbar und nachfrage relevante Differenzen in den speziellen Marketingprogrammen über einen längeren Zeitraum verfolgbar. Marketingaktionen lassen sich somit direkt mit der Umsatzentwicklung koppeln und so die Effizienz der Strategien verbessern.

Beispiel für eine Beschwerdeinformation: Wie viele und welche Kunden haben gekündigt?

In den Geschäftsberichten von Banken und Sparkassen wird häufig stolz darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Kunden im letzten Geschäftsjahr gestiegen ist. Selten aber sieht man eine Aufschlüsselung dieser Betrachtung im Hinblick auf die Gegenüberstellung von verlorenen und neu hinzugewonnenen Kunden. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Gewinnung eines Neukunden um ein Vielfaches teurer ist, als das Halten eines Bestandskunden. Jedoch werden häufig die Kundenverluste aus dem Auge verloren. Gründe für eine eingeschränkte Produktwahl oder gar den Abbruch der Hauptkontoverbindung bleiben im Dunkeln. Demgegenüber gewährleistet eine integrierte Kundendatenbank eine Kündigerprävention. Dies bedeutet, dass mit einer Analyse des Kundenverhaltens vor einer Kündigung schon Rückschlüsse auf die potenziell abwanderungsbereiten Kunden gezogen werden können. Ist eine gefährdete Kundengruppe oder -beziehung identifiziert, können gezielte Marketingaktionen eine potenzielle Kündigung verhindern. Kunden und deren Erträge bleiben bestehen. Geldinstitute und Kunden sind zufrieden, denn der für beiden Parteien durch einen Wechsel entstandene Aufwand konnte so vermieden werden.

Fazit

Ein in bestehende Kundeninformationssysteme integriertes aktives Beschwerdemanagement lohnt sich,

  • weil die gewonnen Erkenntnisse zur internen Qualitätsverbesserung herangezogen werden können,
  • weil nach dem Zusammenführen verschiedener Kundendaten gezieltere Mailingaktionen ermöglicht werden,
  • weil ein gezieltes Kündigermanagement künftige Kündigungen verhindern und somit Umsätze langfristig sichern kann.

Auf einen Blick

Ziele:

Es entsteht ein enormer Mehrwert, wenn die bei der Beschwerdebearbeitung anfallenden Daten mit den relevanten in der Bank bereits vorhandenen Kundendaten aggregiert werden. Nur so kann ein vollständiges Bild – die Basis der Kundenbindung – über einen Kunden erstellt werden.

Lösungsansatz:

Aktives integriertes Beschwerdemanagement bedeutet ein zentrales Unternehmensziel für kundenorientierte Banken und Sparkassen, dass durch geeignete Organisations- und Softwareunterstützung die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und Umsätze sichert.

Vorgehen:

Aktives Beschwerdemanagement kombiniert aktuelle Herausforderungen hinsichtlich der Kundensicht auf Banken und Sparkassen mit den internen Qualitätsverbesserungsmaßnahmen.

Nutzen und Kontrolle:

Die umsatzrelevanten Ziele sind: Kundenbeziehungen stabilisieren, positive Mundpropaganda schaffen und Produkte und Dienstleistungen verbessern. Die kostenrelevanten Ziele: Abwanderungskosten sowie externe und interne Auseinandersetzungskosten vermeiden.

Autoren: Prof. Dr. Georg Köpf, Dr. Oliver Ratajczak; erschienen in Banken & Sparkassen 04/2004

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Dr. Oliver Ratajczak
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Mit über 25 Jahren internationaler Beratungserfahrung unterstützt Oliver mittelständische Geschäftsführer dabei, ihre Profitabilität zu steigern, Innovationspotenziale zu erschließen und wertvolles Wissen im Unternehmen nutzbar zu machen. Sein Fokus: praxisnahe Lösungen, die wirken – nicht nur auf dem Papier, sondern im Tagesgeschäft. Als Keynote-Speaker und Gastgeber des Unternehmenschemie-Podcasts teilt er regelmäßig erprobte Strategien und Impulse aus der Praxis. Du möchtest konkrete Herausforderungen angehen? Dann sprich Oliver einfach an.