In dieser Folge geht es um die Toyota Kata als Ansatz zur systematischen Prozessverbesserung, die auf zielgerichtetem Experimentieren und täglichem Coaching basiert, um Mitarbeiterbeteiligung, Motivation und kontinuierliches Lernen zu fördern.
Im Gespräch mit Michael Retzlaff, Führungskraft und Lean-Enthusiast, steht die Bedeutung strukturierter und kontinuierlicher Prozessverbesserung im Mittelpunkt. Ausgehend von eigenen Erfahrungen betont er, wie selten der große Erfahrungsschatz in den unteren Hierarchieebenen deutscher Unternehmen wirklich genutzt wird. Michael schildert, dass viele Mitarbeiter und auch Führungskräfte dem Begriff „Prozess“ eher skeptisch gegenüberstehen, oft weil Prozesse als von außen auferlegte, starre Regeln empfunden und nicht als gelebtes Instrument zur Verbesserung erlebt werden.
Er hebt hervor, dass echte Prozessverbesserung ein gemeinsames Verständnis des aktuellen Ist-Zustands und des gewünschten Soll-Zustands benötigt. Eine zu hohe Komplexität oder Bürokratie kann dabei abschreckend wirken, weshalb das Prinzip der Komplexitätsreduktion – weniger Schnittstellen, klarere Abläufe – entscheidend ist. Die Methode der Wahl für nachhaltige Verbesserungen sieht Michael in der sogenannten „Toyota Kata”. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus experimentellem Problemlösen im Alltag und regelmäßigem, strukturiertem Coaching.
Ursprung der Toyota Kata ist das Toyota Produktionssystem, das nicht nur einzelne Prozesse strukturierte, sondern auf Lernfähigkeit, Transparenz und ständiger Veränderung basiert. Die wesentliche Idee: Der „10. Mann“ wird aus dem Team gelöst und arbeitet nicht mehr direkt im Prozess, sondern gibt kontinuierlich Impulse zur Prozessverbesserung und unterstützt als Coach seine Kollegen. Dabei spielt es eine große Rolle, Fehler oder unerwartete Abweichungen nicht zu sanktionieren, sondern als Lernerfahrung zu verstehen – Experimentieren gehört explizit dazu.
Wichtig ist dabei das tägliche Gespräch: Mit Hilfe einer visualisierten Übersicht bespricht der Coach mit dem Prozessverbesserer regelmäßig die Ziele, den aktuellen Stand, Hindernisse und die nächsten Schritte. Dieses gemeinsame Reflektieren – vergleichbar etwa mit täglichen Stand-ups in der Softwareentwicklung – fördert die Motivation und sorgt für echte Rückkopplung. Wenn Experimente scheitern, ist dies kein Fehler, sondern ein Lerngewinn. So entwickeln Teams und Führungskräfte Schritt für Schritt das richtige Mindset, um mit Wandel und Unsicherheit umzugehen.
Ein viel diskutiertes Thema in der Episode ist, wie deutsche Unternehmenskultur häufig Veränderungen und Fehlerkultur angeht. Die Gastgeber machen klar, dass der „Zwang“ in systematischen Verbesserungsprozessen als hilfreiches Gerüst verstanden werden kann: Leitplanken geben Struktur und schaffen Freiräume für Kreativität und Mitgestaltung. Der hohe Grad an Mitarbeiterbeteiligung, Entscheiden vor Ort und regelmäßiges Feedback führen zu höherer Zufriedenheit, während die klassische, von oben gesteuerte Zielableitung oft den Bezug zur eigentlichen Arbeit und Motivation verliert.
Am Beispiel der Gallup-Studie kritisieren sie, dass zu wenige Beschäftigte eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen haben. Der riesige ungenutzte Hebel liege darin, mehr Menschen einzubinden, Motivation zu ermöglichen und mit systematischen Methoden wie der Kata-Denkweise eine lernende Organisation aufzubauen. Wichtig sei, kontinuierlich an Zielen zu arbeiten, diese gemeinsam zu ermitteln und stetig die Prozesse zu reflektieren, statt lediglich abstrakte Vorgaben „von oben“ zu erfüllen.
Die Folge schließt mit dem Appell, offen für alternative Organisations- und Führungskonzepte zu sein, Experimente zu wagen, regelmäßige Gespräche mit Mitarbeitern zu führen und auf die vorhandenen Erfahrungen in Unternehmen zu bauen. Die Toyota Kata dient dabei als gute Blaupause, wie man durch kleine, stete Verbesserungen und eine fördernde Führungskultur nachhaltigen Wandel und Mitarbeiterzufriedenheit schafft.
erschienen in der Folge 56 im Unternehmenschemie-Podcast von und mit Dr. Oliver Ratajczak
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