Nikolaus Korte berichtet, wie er als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens grundlegende Hierarchien infrage stellte, Verantwortung an Mitarbeitende übertrug und dadurch Innovationskraft sowie Lernbereitschaft im Unternehmen massiv steigerte.
In dieser Folge schildert Dr. Oliver Ratajczak das bewegende Praxisbeispiel von Nikolaus Korte, der nach Jahrzehnten traditioneller Führung einen radikalen Wandel in seinem Unternehmen vollzog. Korte beschreibt, wie er aus dem klassischen hierarchischen Denken herauswuchs, in dem er – geprägt durch langjährige Konzernarbeit – Führung und Steuerung als selbstverständlich ansah. Erst einschneidende Erlebnisse bewegten ihn dazu, sein Führungsverständnis zu hinterfragen und das gesamte System im Unternehmen neu zu denken.
Ein Schlüsselerlebnis war die Beobachtung eines Auszubildenden, der in der Technikerschule plötzlich mit Engagement und Eigenverantwortung glänzte – ein Verhalten, das Korte in der regulären Unternehmensumgebung nie an ihm bemerkt hatte. Die Erkenntnis: Nur wenn Menschen echte Verantwortung und Gestaltungsspielräume erhalten, können sie ihr Potenzial entfalten. Als Konsequenz entstand das Projekt „Etabo 4.0“. Auszubildende bekamen ein eigenes Budget, eigenständig Zeit und Spielraum, um ein digitales Leuchtturmprojekt – den Einstieg in den 3D-Druck – zu gestalten. Ergebnis: Die Lehrlinge bauten eigenständig ihr Geschäftsfeld auf, verbesserten Geräte, begannen mit dem Verkauf von 3D-Teilen, entwickelten eine ansteckende Eigenmotivation und verbesserten auch ihre Ausbildungsleistungen erheblich. Die Ausbildungsabsolventen konnten überwiegend mit Bestnoten abschließen und entschieden sich nach der Lehre für weiterführende Bildungswege.
Darüber hinaus berichtet Korte, wie die Unternehmenskultur schrittweise auf echte Mitbestimmung umgestellt wurde. Initiativen und Entscheidungen zu Themen wie flexible Arbeitszeiten oder Lernangebote werden in selbstgesteuerten Teams entwickelt. Ein Kanban-Board in der Kaffeeküche ersetzt komplizierte Bildungsbedarfs-Erfassungen – Mitarbeitende tragen selbst ein, was sie lernen möchten, organisieren gemeinsam Schulungen und übernehmen Verantwortung für die Umsetzung. Budgetkontrollen und Hierarchiefreigaben wurden abgeschafft. Dies führte nicht nur zu höherer Motivation und Wertschätzung, sondern auch dazu, dass sich die Zahl und Qualität der Bewerbungen deutlich erhöhte: Mitbestimmung und Eigenverantwortung werden für Talente zunehmend zum Magneten.
Korte schildert offen, welche Herausforderungen und Unsicherheiten damit einhergehen – etwa der schwierige Konsensfindungsprozess im Team oder das temporäre Chaos, als vertraute Strukturen aufgebrochen wurden. Dennoch sieht er die Transformation als wertvoll und ist überzeugt: Wirkliche Veränderung erfordere Mut zur Machtabgabe und das Vertrauen darauf, dass Erwachsene auch im Arbeitskontext verantwortungsvoll handeln können – wie sie es privat längst tun.
Sein Tipp für Führungskräfte: Den eigenen Mindset-Wandel fördern – etwa durch den Besuch von Formaten wie Barcamps, bei denen Selbstorganisation und partizipatives Lernen erfahrbar werden. Am Ende, so Korte, sind es die Menschen selbst, die Lösungen schaffen – vorausgesetzt, das System ermöglicht es ihnen.
erschienen in der Folge 42 im Unternehmenschemie-Podcast von und mit Dr. Oliver Ratajczak
0